WERKE UND EINFÜHRUNGEN

AUSZÜGE EINIGER EINFÜHRUNGEN VON MONOGRAPHIEN, KATALOGEN UND WICHTIGSTEN ZEITUNGEN


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Alle die in diesem Auftritt eingeführten Werke gehören öffentlichen und privaten Sammlungen an.

         

Es gibt ein einziger Schluß, der aber (vielleicht) derjenige ist, der gilt. Er besteht in der Wiederkehr der Nation in die Malerei. Wenige können heute erzählen: jemand beschreibt, viele vorstellen, sehr viele glauben (glauben), zu erfinden. Franz Borghese hat nicht nur seine Personentypologie, fast ein von ihm geschaffenen Bestiarium, sondern auch seine “Idee der Menschen”. In dieser “Idee” - man soll es sagen - überwiegt ein Existenzpessimismus. Die Menschen, die vielleicht ursprünglich gut waren, sind heute nicht mehr so. Sie raufen sich, sie brüsten sich, sie fallen sich an, sie essen sich einander. Sie sind egoistisch und gewalttätig, oft neurotisch. Wenn wir die Geschichte der Kultur betrachten, haben alle die großen Künstler, alle die großen Schreiber ihre ”Art und Weise” gebildet. Diejenige von Borghese reicht beinahe an eine Witterung heran, die halb volkstümlich halb intellektuell ist, zwischen Ruzzante (Entschuldigung für den Vergleich) und Jonathan Swift. Unten nimmt man den Blick des verfeinerten Menschen am Fenster wahr. Das Hin und Her der Leute macht ihn neugierig und gleichzeitig erschreckt ihn. Am Ende flüchtet er sich in den ironischen Abstand, mindestens dem Anschein nach.; aber unten (mindestens vermute ich es) gibt es eine Art quälende Teilnahme, einen Bedarf an Vergleich, den Versuch dem Schiffbruch der Seele zu entrinnen. Auf jeden Fall bleibt die “Welt” von  Borghese unverkennbar: sowohl man sie liebt, als auch man sie haßt. Sie wird eine aus Dazwischenlegen und Metaphern gemachte "malerische Autobiographie". Das erscheint auch in seinen Schriften und, im allgemeinen, in seinen Wörtern. Es gibt einen Versuch, wieder unberührt zu bekommen, sich in die Naivität zu flüchten (auch wenn er Voltaire  Rousseau gegenüber vorzieht), vor allem, die anderen zu verstehen. Es ist sicher, daß er einen ewigen Widerspruch zwischen dem Grund seiner Kultur und jenem Wunsch lebt, sich dem volkstümlichen Geist zu nähern. Aber war das nicht auch das Dilemma großer Schreiber wie Zola oder Hugo? War es nicht die quälende Sorge von Ensor und Gauguin? Also: die "große Erzählung durch Szenen" von Borghese bleibt im Gleichgewicht zwischen der Aristokratie der Kultur und der volkstümlichen Anthropologie. Hier trifft man die Schlauköpfe und die Dummköpfe, die anspruchsvollen Menschen und die Plebejer. Aber es ist immer eine Erzählung, sie sind Seiten eines Romans, lose Blätter. Oder, wenn man den Vergleich in die Malerei  verlegen will, ein mittelalterliches Fresko: eine von allen verstandene Biblia Pauperum. Diese alte Farbe des neunzehnten Jahrhunderts ist nur eine List: eine "erfundene Zeit", um die Menschenereignisse von gestern und von heute (und von morgen ?) aufzustellen. All das ist mehr aktuell als die Puppen aus Kunststoff von Jeff Koons oder die Serigraphie-Marylin von Warhol. Es ist aktuell, weil - das können wir ja sagen - seine Universalität hat, die die Mode überschreitet: vielmehr verlacht sie sie, sie verspottet sie. Wenn wir nochmals das große Bild Atelier anschauen, ist das klar: am Ende entdeckt man auch die am weitesten zurückliegenden Winkel seines (und unseres) Gedächtnisses... Auch wir sind, sicher, in dem Atelier des Malers, der täuscht vor, zu schlafen.

Venedig 2000                                                                                                                               Paolo Rizzi

(Franz Borghese - Galleria Orler - Scoletta dei Battioro )

       

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